Metta, die Praxis der liebenden Güte für Lebensbegleiter und Profis – Teil 1

mit Metta-Sätzen

Vorgestellt wird hier eine spirituelle Praxis, die Kraft gibt und heilsam ist. Es geht um liebende Güte. Ein/e BegleiterIn von Sterbenskranken kann darin innere Ruhe und Frieden finden und auch der Kranke, wenn er einen Bezug dazu hat. Es geht um einen „Herzenssatz“, der im Inneren bewegt wird. Das Experimentieren damit ist im Alltag, auch im Berufsleben, leicht und spielerisch möglich. Wir gewinnen Einblicke in die Art und Weise, wie unser Bewusstsein gestrickt ist. Im zweiten Teil des Artikels erhalten Sie einen Einblick in die buddhistische Tradition, aus der diese Praxis kommt: das Metta-Sutta.

img_0725Die Praxis der liebenden Güte

Die folgenden Sätze (am Textende) dienen dazu, innere Weite in Ihnen zu inspirieren und Ihnen und den Menschen, um die Sie sich kümmern, mit Verständnis und liebevoll zu begegnen. Sie können die Sätze ändern oder einen eigenen Satz entwickeln und dann seine Wirkung in Ihnen schwingen lassen. Der gewählte Satz wird mit Hilfe von meditativer Konzentration seine Wirkung entfalten.

Den Metta-Satz anwenden

Setzen oder legen Sie sich so bequem wie möglich hin. Atmen Sie ein paar Mal tief ein und aus. Bringen Sie Ihren Geist zur Ruhe. Sie können öfter mit einem gehauchten „Ah“ ausatmen, das entspannt.

Dann wählen Sie Ihren Satz oder einen oder alle Sätze aus dem Text unten und sprechen ihn oder mehrere Sätze im Rhythmus des Atems, und zwar laut. Spüren Sie dem Sinn des Satzes/der Sätze nach, ohne irgendetwas zu forcieren. Das ist dann eine Rezitation. Vielleicht kristallisiert sich ein Lieblingssatz heraus, der Ihnen aus dem Herzen spricht.

Wenn sie Ihren Satz gefunden haben, können Sie mit ihm experimentieren. Zum Beispiel können Sie ihn leise sprechen oder einen Rhythmus, eine Melodie für Ihren Satz finden, ihn singen oder einzelne Silben dehnen vielleicht raffen, laut oder leise sprechen. Sie können Ihren Satz auch still und in Gedanken formulieren oder das Sprechen Ihres Satzes mit einem speziellen Atemrhythmus verbinden. Es gibt vielfältige Möglichkeiten. Spielen Sie damit, so lange es Ihnen Freude bereitet, und gehen Sie dabei immer mit dem Inhalt Ihres Satzes in Resonanz, so dass sie ihn im Herzen spüren können.

Sie können den Satz, der Sie inspiriert, auch mit Bewegungen verknüpfen oder wenn Sie Dinge tun, die anstehen, ihn in den Rhythmus Ihres Tuns einfügen, auch damit tanzen. Das kann innerlich, ganz still geschehen. Sie können mit Ihrem Satz Bus fahren, zur Arbeit oder im Supermarkt einkaufen gehen. Während Sie etwas tun, kann Ihr Herzenssatz mit dabei sein und Sie begleiten. Er ist dann wie ein Mantra. Sie können erleben, der Satz im Hintergrund bewirkt mehr Gelassenheit, regt inneren Frieden an und Wohlbefinden. Ausprobieren geht über Studieren.

Das Herzensgebet

In der Tradition des „Herzensgebetes“, einem christlichen Weg, der in der Ostkirche entstanden ist, wird mit einem Satz gearbeitet, der wie ein Mantra den Lebensalltag über Wochen, Monate und Jahre begleitet, ein Satz der die innere Verbindung zum göttlichen Kern in Vollkommenheit repräsentiert. Dies ist ein mystischer Weg. Als anerkanntes Herzensgebet gilt: „Herr Jesus Christus erbarme dich meiner.“ Es wird in der Sterbebegleitung als Leitgebet genutzt und oft auf den Namen: „Jesus“ reduziert. Das Namensgebet inspiriert Hingabe und Vertrauen in die göttliche Führung für den Gläubigen. Es richtet die Gedanken, die Energie aus auf das Heilige, auf Gottes Sohn, der behütet und Schutz gibt, besonders in den Krisen des Lebens, beim Sterben, im Tod. Diese Anrufung ist wirksam, für den, der an Jesus Christus glaubt, weil sie Energie bündelt und ausrichtet auf Jesus. Wenn er gerufen wird, wird er kommen.

In neueren westlichen Entwicklungen werden Menschen angeregt, einen eigenen spirituellen Leitsatz, mit dem sie durchs Leben gehen wollen und der auch durch den Tod tragen soll, zu formulieren, beispielsweise: “Ich bin in dir, du bist in mir.“  Mitgedacht wird dabei eine spirituelle Kraftquelle, die nicht unbedingt christlich sein muss. Wichtig sind Vertrauen und Hingabe an diese Quelle, tief erlebt und gefühlt. Die Kraftquelle kann religiöse Wurzeln haben, aber auch eine ganz individuelle Gestalt annehmen. Den selbst gewählten Satz kann man jeden Tag rezitieren. Mit in den Alltag genommen, kann er im Hintergrund allen Tuns präsent sein und bei einiger Übung auch im Schlaf wirken. Der Satz wirkt heilend, klärt Gedanken, sogar Träume und erfrischt. Mit der Zeit wird der Satz zum Lebensbegleiter und wirkt sich positiv aus auf Denken, Fühlen und Handeln.

img_2362Die heilende Kraft des Metta-Satzes

In der Metta für Lebensbegleiter dient die stille oder gesprochene Rezitation des persönlichen Satzes dazu, sich innerlich zu stärken, Verbindung und Ganzheit zu erleben sowie Schutz. Die Worte sollen wirken, beispielsweise helfen einem Ungleichgewicht, Enttäuschungen so zu begegnen, dass Freude und Frieden das Herz erfüllen.

Die gewählten Worte wirken wie ein Mantra. Die häufige Wiederholung (Rezitation) eines Mantras hilft, sich mit der Energie der Worte, das heißt der Essenz zu verbinden, die hinter den Worten liegt. Es schafft inneren Raum und öffnet das Herz. Dies vor allem, weil die alltäglichen Gedanken bei der Rezitation der Worte unterbrochen werden. Obwohl es äußerlich so aussieht, als ob die Wiederholung desselben Satzes Monotonie erzeugt, geschieht das Gegenteil: Weite entsteht. Wir fühlen uns freier. Es lohnt sich, das auszuprobieren, vielleicht für einen Tag? und zu erleben, was innerlich geschieht.

Der Satz, den Sie wählen, das Mantra, muss für Sie stimmen, das ist wichtig. Wann stimmt es? Es stimmt, wenn es ihr Herz berührt, Frieden und Verbundensein, Mitgefühl und Liebe in Ihnen inspiriert. Also wählen Sie sorgfältig aus, welche Worte Sie durch den Tag begleiten dürfen.  Am Ende des Textes finden Sie einige Vorschläge.

Metta für Hilfsbedürftige

Mit heilsamen Sätzen können wir Menschen, die wir begleiten, auch in der Krankheit oder im Sterben unterstützen. Wir können den Kranken anregen, einen eigenen Herzenssatz zu finden und auszusprechen, ihm helfen, mit Humor und Freude mit dem Satz zu spielen sowie kleine Herzensgebetmeditationen für Menschen anleiten, die sich das wünschen. Auf Wunsch sprechen oder singen wir den Satz gemeinsam oder für den Kranken. Vorher leiten wir eine Atembetrachtung an oder verweilen in Stille miteinander, sorgen dafür, ungestört zu sein, bereiten die Atmosphäre vor. Es braucht Zeit, bis der richtige Satz gefunden ist, bei dem man dann auch bleibt. Die gemeinsame Freude am Miteinander – Sein ist wichtig, auch der Mut zum Experiment.

Metta – Sätze für Begleiter

Möge ich inneren Frieden finden und meine Erwartungen loslassen.

Möge ich glücklich sein. Mögen alle Wesen Glück erfahren.

Möge ich meine Fürsorge, mein Mitgefühl und meine Präsenz frei von Erwartungen geben.

Möge ich alle meine Begrenzungen mitfühlend annehmen, so wie ich das Leiden anderer annehme.

Möge ich aus meinen inneren Ressourcen schöpfen, damit alles, was ich tue, von Herzen kommt.

Möge ich Liebe und Mitgefühl geben.

Möge diese Erfahrung mir ein Himmelsbote sein, der mir mich mit der wahren Natur von allem verbindet.

Mögest du frei sein von Schmerzen und getragen werden von Liebe und Vertrauen auf deinem Weg.

Ich wünsche dir Wohlbefinden, Glück und Frieden. Mögest du deinen Weg durch das Dickicht des Leidens und vollkommene Befreiung finden.

Mögen alle Wesen in Frieden und Gelassenheit glücklich leben und friedlich sterben.

 

Lisa Freund
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