Rilke: Überfliessende Himmel verschwendeter Sterne
Dieses Gedicht von Rilke ist für mich eine moderne und außergewöhnliche Variante des Themas Elysium. Im Vordergrund steht das Ringen um die Weite des Weltraums in uns, die nicht selbstverständlich gegeben ist, jedoch nach uns greift. Das Gedicht wird im Video von Hannelore Elsner präsentiert, in einer ansprechenden Vertonung, die sanft in die Tiefe des unendlichen Raums entführt.
Rilke (1875-1926), in Prag geboren wuchs als Sohn eines Bahnbeamten und einer Fabrikantentochter in Österreich auf. Seine ältere Schwester starb früh. Die Mutter erzog ihn bis zum sechsten Lebensjahr als Mädchen. Er besuchte eine Militärrealschule in St.Pölten und dann die Handelsakademie in Linz. Rilke schuf ein umfangreiches literarisches Werk, war beeinflusst von der Philosophie Schopenhauers und Nietzsches. Er wagte poetisch kühne Experimente mit der Sprache. Rilke starb an einer seltenen Form von Leukämie. Er wählte diesen Grabspruch:
„Rose, oh reiner Widerspruch, Lust,
Niemandes Schlaf zu sein unter soviel
Lidern.“
Rainer Maria Rilke
Überfliessende Himmel verschwendeter Sterne
Überfliessende Himmel verschwendeter Sterne
prachten über der Kümmernis. Statt in die Kissen,
weine hinauf. Hier, an dem weinenden schon,
an dem endenden Antlitz,
um sich greifend, beginnt der hin-
reißende Weltraum. Wer unterbricht,
wenn du dort hin drängst,
die Strömung? Keiner. Es sei denn,
daß du plötzlich ringst mit der gewaltigen Richtung
jener Gestirne nach dir. Atme.
Atme das Dunkel der Erde und wieder
aufschau! Wieder. Leicht und gesichtlos,
lehnt sich von oben Tiefe dir an. Das gelöste
nachtenthaltne Gesicht gibt dem deinigen Raum.
Quelle: Rainer Maria Rilke, Letzte Gedichte und Fragmentarisches (1910-1926)
Überfließende Himmel
Rezitation des Gedichts von Rainer Maria Rilke von Hannelore Elsner, ca. 6 Min/2013
https://www.youtube.com/watch?v=zpAUPxz_3SU
Copyright Foto: Unsplash / pixabay.de
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