Bestattung: „Die Kosten steigen ins Unermessliche“

Der Tod ist unberechenbar - Warum man sich frühzeitig Gedanken zu steigenden Friedhofsgebühren machen sollte

Den folgenden Text hat Dirk Busse verfasst. Er ist Inhaber des Bestattungsunternehmens Busse-Kümpel in Hennef (Sieg) nahe Bonn. Er beschreibt eine Situation, die für diesen Ort spezifisch ist, sich in ähnlicher Form aber vermutlich täglich an anderen Orten in Deutschland wiederholt. Weil Bestattungkosten enorm steigen, ohne dass die Bestatter daran einen wesentlichen Anteil hätten. Und die Gefahr ist, dass die steigenden Kosten die Friedhofskultur negativ verändern.

Der folgende Text wurde von Herrn Busse zunächst auf Facebook geschrieben. Wir veröffentlich ihn an dieser Stelle mit seiner freundlichen Genehmigung.

Die Dame, die unsere Geschäftsstelle betritt, kommt mir irgendwie bekannt vor. Ihr Lächeln verrät mir, dass sie wohl nicht wegen eines Trauerfalles hereinschaut. Sie erinnert mich: „Hallo Herr Busse, ich bin’s, Maria B., ich habe mit Ihnen 2001 meine Bestattung besprochen und – ich lebe immer noch. Gut, oder?“ Ich erinnere mich und muss auch lächeln. Älter ist sie geworden und ich auch. Aber fit ist sie, auf den Beinen und im Kopf. Das freut mich.

Sie erklärt mir, dass sie vor einigen Wochen zufällig im Stadtecho die neue Gebührenordnung für die Hennefer Friedhöfe gelesen habe. Die sei aber ja offensichtlich falsch und deswegen wollte sie mal nachhören und prüfen, ob ihr Gespartes noch für die Bestattung reiche. 2001 gab es noch keine Datenschutzgrundverordnung und wir freuen uns beide, dass ich die alten Aufzeichnungen noch habe. Gewünscht waren eine christliche Trauerfeier, Karten und Zeitungsanzeige sowie die Beisetzung der Urne auf dem Friedhof. Natürlich anschließend ein Kaffee. Später sollte die Grabstelle durch einen Steinmetz gestaltet werden. Möglichst pflegefrei. Damals beliefen sich die Kosten aufgerundet auf ca. 5.300,- Euro.

Für die Aufgaben des Bestatters (Sarg, Urne, Formalitäten, Abholung und Versorgung, Überführung in das Krematorium, Ausrichten der Trauerfeier und der Beisetzung) beliefen sich die Kosten auf ca. 2.000 Euro. Weitere 2.000 für die Gestaltung der Grabstelle durch den Steinmetz, 1.000 Euro für Blumen, Kaffee und Zeitung. Bis hierher also 5.000 Euro. Hinzu kam noch das kleine Urnengrab für 200 € und die Grabbereitung (Ausheben und Schließen der Stelle) 100 Euro, gesamt also ca. 5.300 Euro. 5.000 Euro hatte sie ohnehin angespart und 2.100 Euro zahlt(e) ja die Krankenkasse (wir erinnern uns dunkel…). Also 7.000 Euro verfügbar für die 5.300 Euro Bestattung. Das sollte auch Jahre später noch passen. Alles in trockenen Tüchern? Leider nein. Denn nun, 2019, rechneten wir neu:

Die gute Nachricht: Unsere Leistungen kosten nach wie vor 2.000 Euro. Trotz Erhöhung der MwSt. und trotz all der Vorschriften und Rahmenbedingungen, die es uns schwer machen, weiter ein Ausbildungsbetrieb zu sein und Fachpersonal einzustellen, haben sich unsere Preise in 20 Jahren nicht erhöht. Nächste gute Nachricht: Gleiches gilt auch für den Steinmetz. Die Zeitungsanzeige machen wir ein bisschen kleiner und zum Kaffee kommen mittlerweile ein paar Menschen weniger. So ist das eben, wenn man ein hohes Alter erreicht. Wir sind also an der Stelle wieder bei 5.000 Euro. Die hatte sie ja gespart.

Kosten haben sich ver17facht

Die erste schlechte Nachricht: Das gesetzliche Sterbegeld gibt es nicht mehr. Das wurde bereits vor vielen Jahren gestrichen. Das hatte sie tatsächlich nicht mitbekommen. Nun gut. Kommt ja nur noch die Grabstelle dazu – damals 200 Euro und die Grabbereitung 100 Euro. „Das krieg ich zusammen“ sagte sie bis zu diesem Moment noch sorglos. „Was kostet die denn jetzt – bestimmt das Doppelte, oder?“ „Leider nein“ und ich wusste nicht, wie ich ihr das nun beibringen sollte…„sie kostet etwas mehr als das 17-fache, ca. 3.500 Euro und die Graböffnung und Schließung kostet das 7-fache, also knapp 700 Euro.“ Sie lächelte jetzt nicht mehr.

„Warum?“ fragte sie irgendwann. „Ich weiß es nicht“ sagte ich. „Die Verwaltung meint, es liegt an den vielen Friedhöfen in Hennef, die verursachen viele Kosten.“ „Aber die gab es doch vorher auch schon“ entgegnete sie. „Stimmt“ musste ich einräumen. „Und jetzt? Soviel Geld habe ich nicht. Nach dem Tod meines Sohnes habe ich auch keine weiteren Angehörigen mehr, die mir aushelfen könnten. Aber ich muss doch begraben werden? Ich muss ihr erklären, dass das mit den verfügbaren 5.000 Euro für Bestatter, Steinmetz und Grabstelle in Hennef auf keinem Friedhof klappen wird, denn keine derzeit verfügbare Grabstelle liegt zusammen mit der Graböffnung und Schließung in Hennef unter 3.000 Euro. Dazu kommen dann ja die anderen Kosten „Außer sie lassen sich im Wald bestatten.“ Sie weint.

„In den Wald will ich nicht!“

„In den Wald will ich nicht! Und wenn ich gar kein Geld hätte, wo würde ich denn dann bestattet und wer macht das? Und bekomme ich dann wenigstens eine Trauerfeier?“ „Leider nein“ erkläre ich ihr. „Wenn Sie keinen Angehörigen haben, muss das Ordnungsamt ihre Bestattung veranlassen. Eine Trauerfeier ist dann nicht vorgesehen, denn das Ordnungsamt muss sparsam mit den anvertrauten Steuergeldern umgehen. Deshalb werden sie dann ebenfalls nicht auf dem Friedhof beigesetzt. Soviel Geld zu bezahlen, wie das in Hennef auf dem Friedhof kostet, hält auch das Ordnungsamt für nicht vertretbar. Sie würden nach derzeitigem Stand der Dinge wahrscheinlich doch in einem Wald bestattet. Bestenfalls.“

Die Dame tut mir leid. „Und jetzt? Ich habe doch 5.000 Euro? Damit muss man doch was machen können“ „Ja“ erkläre ich. Sie können sich z.B. in Siegburg im Michaelsgarten auf dem Nordfriedhof oder im Sankt Augustinus Garten auf dem Friedhof in Niederpleis bestatten lassen. Das sind sehr gepflegte Grabgartenanlagen. Ich zeige Ihnen mal Bilder“. Ihr Lächeln kehrt zurück und meins auch.

„Jeden Tag Verzweiflung und Zorn der Angehörigen“

Ich habe Maria B. gefragt, ob ich ihre Geschichte erzählen darf. Sie hat zugestimmt. Und sie ist leider kein Einzelfall. Vor 20 Jahren war es keine Frage: Die Beisetzung erfolgte auf dem lokalen Friedhof. Später ergänzten Bestattungswälder die Bestattung auf dem Friedhof. Die neue Bestattungsform in der Natur sprach viele Menschen unmittelbar an. Außerdem war sie vergleichsweise etwas preiswerter und die Grabpflege entfiel. Die kommunalen Friedhöfe reagierten, teilweise früher, teilweise später und boten Vergleichbares an. Erfolgreich handelten die Kommunen, die ihre entscheidenden „Wettbewerbsvorteile“ nutzen. 1) Nähe! 2) begehbare Friedhofswege mit einer Infrastruktur. In der Praxis bedeutete das: Bestattung an Bäumen oder in Bestattungsgärten auf dem örtlichen Friedhof. Wenn jetzt noch der Preis stimmte, kam es kaum zu „Abwanderungen“, im Gegenteil: „Auswärtige“ bestatteten hier zusätzlich, was wiederum dazu beitrug, die Gebühren stabil zu halten, weil die Fixkosten auf mehr Bestattungen verteilt werden konnten. Das Nachsehen hatten die Friedhöfe, die als Folge von Versäumnissen ihre Kosten nach Abwanderungen auf die geringere Zahl der verbliebenen Beisetzungen verteilten. Hier stiegen die Grabgebühren mit der Folge, dass noch mehr Abwanderungen stattfanden. Dies führte selbstredend zu weiteren Gebührenerhöhungen. Ohne mutige Änderungen ist dieser sich selbst hochschaukelnde Effekt nicht aufzuhalten.

Vor 20 Jahren betrug die Anzahl der durch uns auf dem örtlichen Friedhof durchgeführten Bestattungen etwa 90 %, gegenwärtig sind es etwa 60 %. Die übrigen Bestattungen erfolgen entweder im Ruhewald Hennef oder auf den Friedhöfen der Nachbarstädte. In unseren Bestattungsvorsorgen ist die Abkehr von den Hennefer Friedhöfen noch massiver ablesbar. Die Erdbestattungsquote beträgt hier unter 5% und die Beisetzungen erfolgen seit der neuen Gebührenordnung nur noch selten in Hennef. Die vorhandenen großen Grabstellen (dereinst für Erdbestattungen ausgelegt) werden allesamt entweder verkleinert oder aufgegeben.

Wir nehmen jeden Tag die Verzweiflung und den Zorn der Angehörigen wahr, die keinerlei Verständnis dafür haben, dass das Ausheben eines 60 cm tiefen Urnengrabes durch den Bauhof der Stadt Hennef 590 Euro kosten soll. Manchmal glauben Angehörige gar, das seien unsere Kosten. Das sind sie natürlich nicht.


Was ist Ihre Erfahrung dazu? Wenn Sie ähnliche Erfahrungen gemacht haben – als KundeIn oder BestatterIn so schreiben Sie uns gerne unten in den Kommentar oder auf unserer Facebook-Seite www.facebook.com/elysium.projekt

 

Michael Ziegert
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Eine Antwort

  1. Vielen Dank für den Beitrag zu den Kosten von Bestattungen. Meine Tante hat sich im Bestattungsunternehmen über die voraussichtlichen Kosten einer Bestattung informiert und war überrascht. Gut zu wissen, dass es kein gesetzliches Sterbegeld mehr gibt, dass Hinterbliebene bei der Bestattung entlastet.

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