Ovid: Elegien der Liebe

Auf den Tod des Papageis.

Ovid, ein römischer Dichter, der eine Senatorenlaufbahn ablehnte, und stattdessen sein Leben als Poet verbrachte, schrieb zahlreiche Liebesgedichte. Hier betrauert er den Tod eines Papageien, den er seiner Geliebten einst schenkte – ein wertvolles Geschenk aus dem fernen Indien. Er wünscht ihm eine gute Zeit im Elysium, was er blumig beschreibt. Ovid heißt eigentlich Publius Ovidius Naso, lebte von 43 vor bis 17 nach Christus und starb in der Verbannung am Schwarzen Meer.

Wir haben Worterklärungen hinzugefügt. Die Rechtschreibung ist unverändert.

 

Ovid: Elegien der Liebe

Auf den Tod des Papageis.

Todt ist mein Papagei, der Tausendkünstler aus Indien –
Kommt, ihr Vögel, gesammt, gebt ihm das Todtengeleit.
Folgt ihm, zärtliche Segler, und schlagt euch die Brust mit den Flügeln,
Kratzt euch das zarte Gesicht wund mit den spitzigen Klaun.
Rauft statt des Haars voll Trauer die Federn euch aus, die gesträubten,
Und statt der Tuba erhebt schmetternd den Klagegesang.
Warum, o Nachtigal, klagst du noch stets um den Frevel des Tereus [1]Tereus: Gestalt der griechischen Mythologie. Er vergewaltigte die Schwester seiner Frau Prokne, Philomena, und sagte ihr, Prokne sei tot. Danach riss er Philomena die Zunge heraus, damit sie nicht … Continue reading
Längst ja schon hast du die Pflicht schmerzlicher Trauer erfüllt.
Itys ward triftig beweint, doch das ist nun verjährt; um den selt’nen
Vogel klage du nun, den hier der Tod uns entriß.
Klaget ihr Alle, die ihr euch wiegt in dem flüssigen Aether;
Turteltaube, doch du klage zumeist um den Freund.
Denn das Leben verrann euch ganz voll glücklicher Eintracht,
Freundschaft verband euch und ihr bliebt bis ans Ende euch treu.
Was dem Orest [2]Orest: Sohn von Agamemnon und Klytaimnestra einst Pylades [3]Pylades: der Gefährte und Freund von Orest, Sohn von Agamenmon und Klytaimnaistra, der seine Mutter tötete war, das war, Papagei, die
Turteltaube auch dir, bis euch die Parze [4]Parzen: Schicksalsgöttinen, die Spinnerinnen des Lebensfadens, die den griechischen Moiren entsprechen. Der Singular Parze, steht für das Schicksal ganz allgemein. nun schied.
Doch was half dir die Treue, die blendende Schönheit, und was die
Stimme, die wunderbegabt Töne zu bilden verstand?
Was auch half dir’s, daß ihr du geschenkt, der Geliebten gefielest?
Krone der Vögel, du liegst arm nun und elend und todt.
Selber der grüne Smaragd erblich vor deinem Gefieder,
Stolz wie mit punischem [5]Punisch: vgl. die drei punischen Kriege in der Antike Roth war dir der Schnabel gefärbt.
Täuschender ahmte noch nie ein Vogel die Stimme wie du nach
Und gab schnarrenden Lauts besser die Worte zurück.
Neid nur raffte dich hin. Nicht lärmende Kriege begannst du –
Schwatzhaft warst du; doch sonst liebtest du Frieden und Ruh‘!
Sieh, wie in ewigem Kriege die Wachteln doch leben; vielleicht nur
Macht sie der ewige Streit alt, wie die zänkischen Fraun.
Mit gar Wenigem nahmst du vorlieb; du schwätztest so gerne,
Daß nicht zum Essen einmal Zeit dir vom Schwätzen noch blieb.
Nüsse nur waren dein Mahl und Mohn, dich in Schlummer zu wiegen,
Und ein bescheidener Trunk Wasser genügte dem Durst.
Doch noch lebt der gefräßige Geyer, noch kreist durch die Lüfte
Hoch der Falke, noch ruft krächzend die Dohle dem Sturm.
Auch die Krähe, der Pallas [6]Pallas: unter anderem die Jugend- und Kampfgefährtin der Atheneverhaßt, der gerüsteten, lebt noch,
Neun Jahrhunderte kaum bringen ihr endlich den Tod.
Doch, Papagei, du starbst, du beredter, der menschlichen Stimme
Echo, vom Ende der Welt einst zum Geschenk mir gesandt.
Greift nach dem Besten doch stets mit gierigen Händen der Orkus[7]Orkus: ein Name für den Gott der Unterwelt Pluto,
Während nur langsam die Zeit sich an dem Schlechten erfüllt.
Protesilaus [8]Protesilaus: mythologischer griechischer Fürst und Held in der Zeit des trojanischen Krieges, Freier der Helena, wurde von Hektor getötet. auch fiel als der Erste, doch lebte Thersites[9] Thersites: Gestalt der griechischen Mythologie. Er nahm am trojanischen Krieg teil; beschrieben als hässlicher, erfolgloser Held und Demagoge in Homers Ilias.
Hektor [10] Hektor: Bruder von Paris und Sohn von Priamos, wichtigster Held und Kriegsführer im Trojanischen Krieg auch fiel, doch noch lang lebten die Brüder ihm fort.
Zähl‘ ich die frommen Gelübde noch auf, die zitternd für dich die
Liebste gethan? Ach, der Wind führte sie alle ins Meer.
Und so kam uns der siebente Tag, ihm folgte kein achter:
Leer war dein Rocken[11]Rocken: Spinnrocken, Stab an dem noch unversponnene Fasern befestigt sind, die gesponnen werden, schon ließ sinken die Parze die Hand.
Dennoch erstarrte noch nicht dir das Wort im ermattenden Gaumen
Und mit ersterbendem Mund riefst du: »Corinna, leb‘ wohl!«
Nah‘ an Elysiums Höhn ragt dunkelblättrig ein Eichwald,
Von nie welkendem Gras grünt das bewässerte Land.
Täuschen die Fabeln uns nicht, so ist hier der Ort für die frommen
Vögel, dem wilden Gezücht ist nicht zu nahen erlaubt.
Hier nun weiden die Schwäne, die unschuldvollen; es weidet
Hier der Phönix 12), der stets Einzige, jugendlich schön.
Hier zum glänzenden Rad aufschlägt sein Gefieder der Juno 13)
Vogel und schnäbelnd umgirrt Tauber und Taube sich hier.
Hier in den Hain nun tritt auch der Papagei und gar bald schon
Seinem verständigen Wort lauscht die gefiederte Schaar.
Seine Gebeine bedeckt nur ein Hügel, so klein wie er selbst war,
Klein ist der Stein auch und klein ist auch der Spruch, den er trägt:
»Hier mein Grabmal beweist, wie sehr ich der Herrin gefallen,
Ich, zum Sprechen begabt, wie noch kein Vogel es war.«

 

Aus: Ovid, Elegien der Liebe, 2. Buch, 20. Kapitel übersetzt von H. Oelschläger, Leipzig 1880

Lisa Freund
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