„Dasein“ – Film-Klassiker der deutschen Hospizbewegung

Interview mit Heide Breitel über ihren Dokumentarfilm über die Entstehung des „Elisabeth-Hospizes“ in Lohmar-Deesem

dvd-titel-daseinWir haben Heide Breitel gefragt, warum sie sich 1990 – in einer Zeit, als Sterben und Tod in Deutschland völlig tabuisiert waren – an dieses Thema herangewagte und was sie gelernt hat während des Drehs.

Heide Breitel hat mit ihrem Film „Dasein“, die Hospizbewegung in Deutschland in den Anfängen mitgeprägt. Ihr 92 Minuten langer, eindrucksvoller Dokumentarfilm wurde preisgekrönt. Sie hat ein wertvolles Dokument geschaffen aus den Gründerjahren der Hospizbewegung in Deutschland. Werte dieser Bewegung, die bis heute noch gelten, werden darin sichtbar ebenso wie der schier unerschöpfliche Elan der Pioniere, die all ihre Lebenskraft für die Gründung eines liebevollen Zuhauses für Sterbenskranke einbringen. Heide Breitel drehte „Dasein“ rund um die Entstehung des Hospizes und filmt darin unter anderem den Durchbruch vom Wohnhaus der Brombachs in das Nachbarhaus, das der Freundeskreis, ein eingetragener Verein, erwarb, um dort das erste religiös unabhängige Hospiz in Deutschland zu gründen: das „Elisabeth-Hospiz“. Es liegt in Deesem, einem kleinen Dorf, das zu Lohmar gehört, nahe Köln und existiert noch heute. Das Elisabeth-Hospiz wurde später erweitert und mit staatlichen Fördergeldern ausgebaut. Mittlerweile ist es etabliert und sehr wertgeschätzt, nicht mehr wegzudenken aus der Hospizlandschaft. Es hat unter der Leitung von Josef Brombach die deutsche Hospiz- und Palliativbewegung auf vielfältige Weise mit geprägt. Rechts sehen Sie das Filmplakat des Films.

Zur Biografie der Filmerin

Heide Breitel

Heide Breitel

Heide Breitel gehört zu den Kriegskindern, ist Jahrgang 1941, eine gestandene Frau, die einen erwachsenen Sohn in den 5oigern hat. Das Filmen, ihr Metier, beherrscht sie von der Pike auf. Zunächst erwarb sie einen beruflichen Abschluss als Fotolaborantin und Fotografin, daran schloss sich eine Ausbildung zur Filmcutterin an. Das war 1963. Schon 1973 war sie Dozentin für Filmgestaltung und Filmschnitt an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Seit 1977 dreht sie eigene Dokumentarfilme, seit 1980 hat sie eine eigene Filmproduktion.

Interview

Du hast mehrere Filme über das Leben mit dem Tod gedreht. Dein Film „Dasein“ ist heute ein Klassiker über die Anfänge der Hospizbewegung in Deutschland. Später hast du dich mit dem Film „Leben“ an das heikle Thema Geburt und Tod herangewagt. Was hat dich bewogen „Dasein“ zu drehen?

Als Jugendliche musste ich den frühen Tod meiner Mutter verkraften. Erst Jahre später wurde mir langsam bewusst, wie viel versteckte Trauer und Angst in mir war. Durch Bücher von Elisabeth Kübler-Ross lernte ich die Hospizbewegung kennen und ich ging auf die Suche nach Menschen, die Sterbenden halfen auf dem letzten Weg.

film-dasein-02Wie war es mit der Akzeptanz des Todes in Deutschland zur Drehzeit?

Sterben, Tod und Trauer wurden damals bei den meisten Menschen aus dem Leben ausgegrenzt. Die Hospizbewegung stand in Deutschland ganz am Anfang. 1988 gründeten vier Menschen die deutsche Hospizhilfe und die Journalistin Renate Wiedemann machte sich zur Aufgabe die Hospiz-Initiativen zu unterstützen, mit einer guten Öffentlichkeitsarbeit. Ich hörte davon, besuchte sie und Renate erzählte mir von dem „Freundeskreis zur Förderung von Sterbebegleitung e.V.“ in Lohmar-Deesem, die schon Hausbetreuungen machten und gerade dabei waren, auch ein stationäres Hospiz zu gründen.

Welche Überlegungen gab es über den Drehort und warum hast du dich für das Elisabeth-Hospiz entschieden?

Bei meiner Recherche habe ich die vier Hospize, die es damals gab, besucht und auch die Palliativstation am Kölner Krankenhaus. Im Krankenhaus kamen die Kassen für die Behandlung und den Aufenthalt auf und die Kosten der Hospize wurden von der Caritas und der Diakonie getragen. Hospize waren in Deutschland noch nicht offiziell anerkannt. Es gab große Schwierigkeiten bei der Gründung, der Finanzierung und dem späteren Betrieb zu überwinden.

An einem sonnigen Frühlingstag im April 1989 fuhr ich nach Deesem zum „Freundeskreis“, einer Initiative von Menschen, die ohne öffentliche oder kirchliche Mittel ein stationäres Hospiz auf die Beine stellen wollten.

Im Haus von Sibilla und Joseph Brombach wurde ich herzlich empfangen, saß schon wenige Minuten später am Kaffeetisch und redete mit Sibilla, als würden wir uns Jahre kennen. Im Nebenraum tagten Jo Brombach und ein Vorstandsmitglied mit zwei Herren von der Bank. Sie verhandelten gerade über einen Kredit, der für den Kauf des Nachbarhauses benötigt wurde. Der Kredit wurde bewilligt und die Freude war riesengroß, weil der Traum ein Hospiz einzurichten endlich Wirklichkeit werden konnte. Ich hatte meinen Drehort gefunden, an dem mein Dokumentarfilm entstehen sollte.

Erkläre uns, wie du die Nähe zu den Sterbenskranken hergestellt hast?

Vor Drehbeginn war ich mehrmals in Deesem, einfach um mitzuhelfen beim Aufbau des stationären Hospizes oder der Hausbetreuung Kranker und Sterbender.

Dokumentarische Filmarbeit verlangt, sich einzulassen auf die kommenden Ereignisse und vor allem auf die Menschen. Dazu braucht es ein offenes Herz, Zuwendung und Geduld, damit wirkliche Begegnungen stattfinden können.

Gleich bei meinem ersten Besuch habe ich Resi Wildner kennen gelernt. Sie hatte Brustkrebs und es ging ihr vier Jahre nach der OP wieder schlecht. Sie willigte gleich bei unserem Kennenlernen ein, bei dem Film „Dasein“ mitzuwirken. Resi wollte etwas hinterlassen, anderen Menschen helfen, die ihren letzten Weg beschreiten. Ich habe an diesem Abend auch meine Geschichte erzählt, vom frühen Tod meiner Mutter.

film-dasein-01Was bewog dich, die Brombachs und ihre Arbeit zu zeigen?

Sibilla Brombach betreute Resi zu Hause und hat sie beim Sterben und ihre Familie in der Trauer begleitet. In dieser Zeit ist sie deren nahe Freundin geworden und Resi hat sich durch diese intensiven Begegnungen offen ihrem letzten Weg gestellt. Wir durften mit dabei sein und wir haben mit ihr sowie ihrer Familie gelernt Abschied zu nehmen.

Sibilla und Jo Brombach zu begleiten, zu erleben, wie sie sich den Menschen zuwendeten, wie sie das Nachbarhaus umbauten und nach großem Einsatz aller aus dem „Freundeskreis“ das Elisabeth-Hospiz entstand, hat mich und mein Team sehr beeindruckt. Wir waren froh, so nah dran alles mitzuerleben. Pralles Leben im Angesicht des Todes.

Brombachs haben den Weg geebnet und Resi Wildner hat vor der Kamera ein Testament hinterlassen, von dem ich heute weiß, dass es half, das Sterben und den Tod zu enttabuisieren. Und tief in meinem Innern erfuhr ich die Heilung eines alten Schmerzes während dieser Filmarbeit.
Wir bedanken uns für dieses Gespräch.


Einen Trailer dieses Filmes werden wir für Sie ins Netz stellen, sobald er uns zur Verfügung steht. Übrigens Heide Breitels Film „Dasein“ ist heute ein Klassiker, der immer noch zu erwerben ist über: heide-breitel-film@t-online.de.

Die DVD kostet 16 Euro  inklusive Mehrwertsteuer zuzüglich Versand. Der Film ist aus dem Jahr 1990, Seitenverhältnis 4:3 und nicht Ultra-HD.
Wir meinen, er ist bis heute sehenswert und besonders wertvoll.

„Dasein“ kann auch als Film ausgeliehen werden, zum Beispiel über die Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen – Berlin

https://www.deutsche-kinemathek.de/filmverleih/verleihfilme/filmdetails?movie_id=1030891

 

Lisa Freund
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