Gedicht: Es ist alles eitel

Von Andreas Gryphius

662014_original_R_K_B_by_Lisa Spreckelmeyer_pixelio.deDieses Gedicht, ein Sonett von Andreas Gryphius, ist während des Dreißigjährigen Krieges (1637) entstanden, im Barock. Vanitas (die Vergeblichkeit im Sinne von Vergänglichkeit von allem) wurde zu dieser Zeit häufig in Poesie und bildender Kunst dargestellt. Die Erfahrung von Pest und der brutalen Gegenwart des Krieges, plündernde Soldatenhorden fielen in Siedlungen ein, führte zu einer ständigen Konfrontation mit dem Tod. Das Memento mori (Erinnere dich des Todes, der Sterblichkeit) auf der einen und das Carpe Diem (Genieße den Tag, wer weiß, was morgen kommen mag) auf der anderen Seite sind zwei Extreme, die in dieser Zeit auch literarisch spürbar werden. Gryphius ist einer der berühmtesten Autoren des Barock. Das Wort „eitel“ steht für vergeblich, vergänglich.

Es ist alles eitel

von Andreas Gryphius (moderne Fassung)

Du siehst, wohin du siehst, nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein:
Wo jetzt noch Städte stehn, wird eine Wiese sein,
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden.

Was jetzt noch prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt, ist morgen Asch’ und Bein,
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muss wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch, bestehn?
Ach! Was ist alles dies, was wir für köstlich achten,
Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum’, die man nicht wieder find’t.
Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten!

 

Es ist alles eitel

von Andreas Gryphius (Original)

Du sihst / wohin du sihst nur Eitelkeit auff Erden.
Was dieser heute baut / reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn / wird eine Wiesen seyn /
Auff der ein Schäfers-Kind wird spielen mit den Herden.

Was itzund prächtig blüht / sol bald zutretten werden.
Was itzt so pocht vnd trotzt ist morgen Asch vnd Bein /
Nichts ist / das ewig sey / kein Ertz / kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück vns an / bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Thaten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit / der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles diß / was wir vor köstlich achten /

Als schlechte Nichtigkeit / als Schatten / Staub vnd Wind;
Als eine Wiesen-Blum / die man nicht wider find’t.
Noch wil was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

Lisa Freund
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