Warum am Ende nicht Schluss mit lustig ist …

Interview mit Harald Alexander Korp

Einen Witz machen, wenn ich einen Sterbenskranken besuche, ist das nicht geschmacklos? H.A. Korp erzählt uns mit Beispielen, wie befreiend Humor, das Lachen wirken kann. Es geschieht einfach aus einer Situation heraus und alles kommt in Fluss. Mit H.A. Korp werden Sie noch öfter bei uns zu tun haben, denn er betreut das Ressort „Humor und Sterben“ bei Elysium.digital. Hier können Sie ihn näher kennen lernen … viel Spaß!

DSC_9189In einem FAZ-Artikel im vergangenen Jahr wirst du als führender Humorspezialist in Deutschland bezeichnet. Wie findest du das?

Bringt mich zum Grinsen. Humorspezialisten werden ja immer gebraucht! Ich beschäftige mich schon seit Jahren gerne mit der Frage, worüber in den Religionen und angesichts des Sterbens gelacht wird. Das sind meine Lieblingsthemen. Andere Humorspezialisten haben ihre Themen.

Wie kommt man dazu, Humorist (mit dieser Spezialisierung) zu werden?

Humoristen sind für mich jetzt eher Menschen, die andere zum Lachen bringen. Ich versuche mich mehr darin, wissenschaftliche Fakten über das Phänomen Humor zu vermitteln und Menschen Tipps auf den Weg zu geben, wie sie ihren Sinn für Humor trainieren können. Zu diesem Thema kam ich über das Studium der Religionswissenschaften, bei dem Lachen, Humor, Freude bis heute kaum eine Rolle spielen. Die meisten Theologen interessiert es nicht, ob Moses, Jesus, Buddha, Mohammed etc. gelacht haben und wenn ja, worüber. Dabei erhält man dadurch einen ganz anderen Blick auf religiöse Werte. Mohammed hat beispielsweise viel gelacht und Scherze gemacht, einige Gleichnisse Jesu lassen sich als paradoxe Humorintervention interpretieren und Buddha grinste über seine früheren Inkarnationen.

Humor hat ja viele Facetten: Selbst gerne zu lachen, andere zum Lachen zu bringen. Und Humor als eine Lebenshaltung, sich selbst nicht so ernst zu nehmen und über die eigenen Vorstellungen auch mit einer spielerischen Distanz lächeln zu können. Oft hat das eine mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Ich kenne Comedians, die unglaublich witzig sind, gleichzeitig aber wenig Humor haben, wenn es um die eigene Person geht.

Ein besonderes Phänomen ist das Komische, das unser Denken aushebeln und uns für einen Augenblick in den Raum des Nicht-Denkens und Loslassen befördern kann. Dies scheint mir immer wichtiger. Die Möglichkeit, das Denken an Vergangenheit und Zukunft loszulassen. Dann kommen wir mit einer inneren Freude in Verbindung, können gelassener agieren und die Welt zumindest mit einem, manchmal sogar mit zwei lachenden Auge sehen. Umgekehrt führt die völlige Identifikation mit Glaubensinhalten zu Verbissenheit und Humorlosigkeit. Dies betrifft aber jeden, der sich mit seinen gedanklichen Vorstellungen identifiziert.

Wenn ein geliebter Mensch stirbt, dann erleben wir großen Kummer. Das ganze Leben steht auf dem Kopf. Du meinst aber: Am Ende ist nicht Schluss mit lustig. Das ist sogar der Titel deines Buches über Humor angesichts des Todes, das 2014 erschienen ist. Schließen sich Humor und Sterben nicht aus?

Im Gegenteil, sowohl Humor als auch die Vergänglichkeit haben damit zu tun, Gewohntes loszulassen. Humor ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht; anders ausgedrückt, eine Möglichkeit, Schmerzen und Trauer etwas entgegen zu setzen. Dies vermag zu trösten. In der Bibel sagt der Prediger Salomo, dass alles seine Zeit habe, reden, schweigen, aufbauen zerstören, weinen, lachen. So sehe ich das auch. Selbst in den dunkelsten Momenten unseres Lebens kann plötzlich ein Licht des Lachens aufblitzen.

Humor lässt sich auch kultivieren. Im Hospiz erlebe ich immer wieder, wie Pflegekräfte mit den Bewohnern und Angehörigen laut und herzhaft lachen. Einfach, weil das zum Leben dazu gehört. Und Sterben bedeutet Leben bis zum letzten Atemzug. Und für manche noch darüber hinaus. Das heißt nicht, das Weinen zu unterdrücken, im Gegenteil, nach meiner Erfahrung, weint es sich leichter, wenn man auch lachen darf.

Du begleitest ehrenamtlich Menschen in der letzten Lebensphase im Ricam Hospiz. Schildere uns ein Erlebnis, das dich tief berührt hat und in dem Humor eine Rolle spielt.

Ein Bewohner verbrachte fast eineinhalb Jahre im Hospiz, er stammte aus dem Iran und erholte sich im Hospiz so gut, dass er sein Sterben erst einmal verschob. Er empfing mich oft mit einem Lächeln zu einer Tasse Kaffee und erzählte mir von dem islamischen Narren Nasreddin Hodscha. Und als ich ihn fragte, ob er im Jenseits die 72 Jungfrauen erwarte, winkte er ab und meinte, er habe ja eine Ehefrau, das würde ihm hier auf Erden schon reichen. Da lachten wir gemeinsam.

Du kommst aus dem Hospiz und gibst am nächsten Tag einen Lachyoga-Workshop. Wie geht das zusammen?

Im Lachen liegt eine große Kraft und die große Chance, ganz in den gegenwärtigen Moment einzutauchen. Das Schöne an Lach-Yoga ist, dass man gemeinsam lacht und sich erlaubt, albern zu sein. Das verbindet und tröstet. Auch in einigen wenigen Hospizen gibt es Lach-Yoga Trainer, die mit Bewohnern lachen oder lächeln. Dies heißt aber nicht, dass einem immer zum Lachen zumute ist. Im Gegenteil. Angesichts von Angst und Schmerzen ist oft Schluss mit lustig. Auch bei mir. Dann bin ich sehr dankbar über jemanden, der mich mit einem guten Witz oder einer lustigen Bemerkung doch ein bisschen zum Lachen bringen kann, auch wenn es schwer fällt. Lachen kann eben wie eine laute Kurzmeditation sein, bei der ich aus dem grübelnden Denken herauskomme.

Ich zitiere dich mal: „Witz und Humor beinhalten immer ein Wagnis“. Wie meinst du das?

Mit einem Witz kann man ganz schön daneben liegen und manche Menschen schockieren oder sogar gegen sich aufbringen. Humor ist eben auch immer der Humor der anderen – und oft ist der gar nicht kompatibel. Dies zeigt sich, wenn man die Werte eines Menschen nicht ganz so ernst nimmt. Auch an der falschen Stelle zu lachen, macht einem nicht nur Freunde.

Aber auch den eigenen Werten gegenüber kann Lachen ein Wagnis sein, denn in vielen Menschen herrscht eine unbewusste Überzeugung, dass Lachen Unglück bringen könnte, z.B. am Bett eines Sterbenden zu lachen. Dies verbietet sich nicht nur durch kulturelle Normen, sondern aufgrund einer Angst, dafür von einer überirdischen Macht oder dem Schicksal bestraft zu werden. Dabei haben wir meistens keine Ahnung davon, wie sehr es einem Sterbenden hilft, wenn um ihn herum nicht nur Traurigkeit, sondern auch Fröhlichkeit sein darf.

Gab es ein initiales Erlebnis, bei dem du in der Trauer lachen musstest?

Einige Monate vor dem Tod meiner Mutter saß ich mit ihr am Frühstückstisch. Durch Medikamente und Demenz hatte sie sich mental verändert. Sie schaute mich an, plötzlich grinste sie und fragte bestens gelaunt: „Wie geht es deiner Mutter?“ Ich stutzte und sagte: „Ich glaube gut. Aber du bist doch meine Mutter.“ Daraufhin lächelte sie und sagte: „Aber das heißt noch lange nicht, dass du mein Sohn bist.“ Ich musste sehr lachen; sie auch. Ich vermute, wir lachten über unterschiedliche Dinge, aber trotzdem gemeinsam. Das war ein freudvoller, entspannender Moment.

Erzählst du uns einen Lieblingswitz?

Es gibt eine Geschichte, die für mich immer wieder auch eine therapeutische Wirkung hat:

Zwei Männer gehen über die Straße. Da werden sie von oben von Taubendreck getroffen. Der eine regt sich auf uns sagt: „Verdammt noch mal, warum muss das immer mir passieren?“ Darauf der andere: „Was regst du dich auf? Sei froh, dass Elefanten nicht fliegen können!“

Obwohl ich diese Geschichte ja nun kenne, verblüfft mich immer wieder, wie leicht ich mich über Taubendreck aufrege und übersehe, dass es auch noch viel schlimmer sein könnte. In gewisser Weise sind meine Gedanken und Befürchtungen wie Elefanten, die sich aufblähen und zu Angst und deshalb zu Identifikation und Humorlosigkeit führen. Aus dieser Geschichte entsteht Dankbarkeit für das, was ist, und Dankbarkeit ist für mich ein wirksames Mittel, um eine humorvolle Einstellung für das Leben zu kultivieren.

Hat die Geburt deiner Tochter deine Einstellung zum Leben und zum Sterben verändert?

Ja, sehr. Zuerst war es die Begegnung mit einer besonderen Freude, die ich vorher nicht kannte. Ein Kind hat sozusagen eine eingebaute Freude. Das immer wiederkehrende Lachen trotz Schmerz, das ist wunderbar. Eine tiefe Freude, das Leben zu entdecken, einfach zu existieren. Sich mit einem Kind mitfreuen zu dürfen, ist ein großes Geschenk. So lernte ich, wie einfach es sein kann, in den Moment einzutauchen und sich über Kleinigkeiten zu freuen; z.B. das Balancieren auf allem, was sich bietet: Geländer, Parkbank, Rutschbahnen. So konnte ich selbst das innere Kind wieder entdecken. Dadurch entsteht mehr Gelassenheit. Als meine Tochter etwa ein Jahr alt war und das Brot auf dem Teller alle war, nahm sie den Teller und drehte ihn, um zu schauen, ob auf der Rückseite noch etwas ist. Da musste ich sehr lachen.

Aber ich stellte auch fest, wie sehr ich an Gesundheit und am Leben hänge. Ein Kind ist eine tiefe Verbindung und die Vorstellung, meine Tochter zu verlieren, sei es durch ihren Tod, aber auch meinen eigenen Tod erzeugt tiefgehende Angst. Dabei ist mir mental klar, dass eines von beiden eines Tages passieren muss.

Hast  du einen Satz, eine Weisheit, die du uns mitteilen möchtest, oder ein Buch das du gerne empfiehlst?

Ich denke gerne an Karl Valentins Erkenntnis: „Ich freue mich, wenn es regnet, denn wenn ich mich nicht freue, regnet es auch.“

Wir danken dir für dieses Gespräch.

Lisa Freund
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