Riten des Übergangs

Zwölf Aspekte für die Gestaltung von Ritualen in der Sterbebegleitung

7. Christliche Abschiedsrituale

Ich möchte zunächst einige Beispiele aus der christlichen Tradition vorstellen. So war es noch zu Beginn des letzten Jahrhundert auf dem Lande oder dort, wo die Großfamilie noch intakt war, üblich, dass ein Sterbender seine Familie, manchmal das Hausgesinde oder die Nachbarn, in der Regel einen Priester zu sich bat, um Abschied zu nehmen. Er eröffnete damit den Sterberitus und traf wichtige Entscheidungen noch selber. Das Sterben wurde damit öffentlich, die Verbindung mit dem Sterbenden wurde bis zum letzten Atemzug gehalten. Man betete gemeinsam an seinem Bett. Vom Priester empfing der Sterbende die drei Sterbesakramente: Generalbeichte, Kommunion und letzte Ölung, was heute nicht mehr üblich ist. Sterben und Tod fanden in der Regel in der gewohnten häuslichen Umgebung statt, was heute in der Bundesrepublik, obwohl vom Einzelnen gewünscht, selten geschieht, denn mehr als 70 % der Deutschen sterben in Einrichtungen.

Abschied vom Leichnam
Der Tod wurde gesehen als Übergang zum ewigen Leben. Die Augen (gegen den bösen Blick) und der Mund des Verstorbenen (damit die Seele durch ihn nicht zurückkehre) wurden nach dem letzten Atemzug geschlossen. Das Läuten der Kirchenglocken zum Sterbegeläut verkündete im Dorf den Tod, mancherorts wurden schwarze Tücher an der Haustür befestigt oder die Vorhänge wurde zugezogen, Kerzen wurden entzündet, auch ins Fenster oder vor die Tür des Verstorbenen gestellt, und Weihwasser wurde versprengt. Hier mischen sich Glauben mit Aberglauben. Danach folgte die Aufbahrung des Leichnams im Sterbehaus, der Leichnam wurde gewaschen mit dem Totenhemd bekleidet und hergerichtet von sogenannten Leichenwäscherinnen oder Familienangehörigen. Das sind Aufgaben, die heute oft der Bestatter als Dienstleister übernimmt. Mit dem Kruzifix und Kerzen sowie Weihwasser am Kopfende und mit den Füßen zur Eingangstür wurde der Leichnam aufgebahrt. Kerzen standen zur Rechten und Linken des Kopfes. Es war üblich, den Leichnam zu besuchen, ihn mit Weihwasser zu besprengen für ihn zu beten. Totenwache wurde gehalten, wobei auch Freunde und Nachbarn teilnahmen. Die Totenklage war bis in die Neuzeit hinein erwünscht. Es galt als wichtig, Gefühle auszudrücken. Mancherorts gab es Klageweiber, die geholt wurden, um den Verstorbenen mit zu betrauern. Während der Totenwache wurden Rosenkränze gebetet und man erzählte sich Geschichten. Die Wächter wurden oft reichlich mit Nahrung und Getränken, oft Alkoholischem versorgt. Es wurde mancherorts von Exzessen berichtet, die durch übermäßigen Alkoholkonsum zu Stande kamen.
Mit den Füßen zuerst trug man den Leichnam aus dem Haus. Das Herdfeuer wurde in manchen Gegenden dann gelöscht, Fenster und Türen wurden verschlossen, manchmal schüttete man dem Leichenzug Wasser nach. Dies sollte die endgültige Trennung vom Verstorbenen symbolisieren und die Seele davon abhalten ins Haus zurückzukehren. Der Sarg, vom örtlichen Schreiner angefertigt, wurde auf dem Weg zum Friedhof auf einem Holzkarren transportiert oder von Freunden und Nachbarn getragen.

Trauerfeier und Fest
Die kirchliche Zeremonie umfasste Gebete, Weihrauchspenden, die Grabrede und den Segen, Gesang. Musik, Textvorträge von Laien waren möglich. Am Grab wurde der Sarg in die Erde gelassen, von allen Teilnehmern mit Weihwasser besprengt. Jeder warf drei Schaufeln oder Hände voll Erde auf den Sarg: Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub. So wurde die Vergänglichkeit des Lebens anerkannt. Kondolenz war nicht üblich. Man hatte Teil am Prozess des Abschiednehmens. Die Kondolenz oder das Kondolenzbuch drücken im Vergleich dazu mehr Distanz oder Entfremdung vom Abschiedsprozess aus. Nach dem Begräbnis gab es die Versammlung zum Todesmahl.
Die Mahlzeit stiftete Gemeinsamkeit, war als Annerkennung gedacht für alle, die geholfen und gebetet hatten, und symbolisierte den Neubeginn, den Fortbestand des Lebens für die Hinterbliebenen. Es galt als Christenpflicht, als Akt der Nächstenliebe an der Aufbahrung, der Messe für den Toten, der Beerdigung teilzunehmen.

Lisa Freund
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Eine Antwort

  1. 1. November 2016

    […] Uller Gscheidel erläutert, dass Rituale eine Gemeinschaft schaffen und Übergänge erleichtern. Aus der Sicht des Bestatters schreibt er, worauf man unbedingt achten sollte. In unserem Menu finden Sie  unter der Rubrik Rituale weitere Artikel zur Gestaltung einer Trauerfeier ebenso wie einen Überblickstext zum Thema Riten des Übergangs. […]

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