Der wohlgemute Agnostiker

von Alexander Kaestner

Viele Texte rund um Sterben und Tod sind erfüllt von religiösen Wahrheiten und Überzeugungen. Sie erwecken den Eindruck, nur mit Hilfe solcher Wahrheiten und Überzeugungen könne man dem ernsten Thema „Sterben und Tod“ standhalten. Ein wohlgemuter Agnostiker widerspricht.

Nein, ich bin nicht entmutigt, weil mir auf die „letzten Fragen“ noch keine befriedigenden
Antworten eingefallen sind.
Ja, ich finde den Zustand des Suchens passender für mich als den des Gefunden –
Habens.
Nein, ich möchte nicht zum unverbindlichen ‚mal-vorbeikommen und Schnuppern‘
eingeladen werden.
Ja, ich bin nach wie vor neugierig auf ungewohnte Antworten.
Nein, ich bin noch nicht fertig.
Ja, ich fühle mich nah an meinem Ziel.
Nein, die fertigen Glaubenssysteme meide ich.
Ja, die Schönheit mancher Antwortsysteme fasziniert mich.
Nein, ich brauche kein Heilsversprechen,
aber Mut, das Unerklärliche unerklärt zu lassen.
Nein, organisierte Religion ist mir verdächtig.
Ja, bei religiösen Ritualen bin ich gerne Zuschauer.
Nein, ich bin kein Atheist.
Ja, ich bin ein Agnostiker mit offenen Augen und Ohren.
Nein, ich habe nicht den Durchblick.
Ja, ich habe viele Antwortsysteme kennengelernt.
Nein, es war noch nichts für mich dabei.
Ja, die zu 150 % Überzeugten sind mir unheimlich.
Nein, ich habe nichts gegen Überzeugungen.
Ja, was sie sagen, kann sein.
Nein, muss aber nicht.
Ja, wenn alles erst die Ouvertüre wäre, und niemand wüsste wofür?
Nein, der Tod ist wohl die beste Erfindung des Lebens.
Ja, ich wünsche mir Überraschungen.
Nein, nicht alles ist mir gleich(-)gültig.
Ja, es gibt Unterschiede zwischen oben und unten, links und rechts
Ja, Religion ist Komplexitätsreduzierung
aber um welchen Preis?
Ja, ich habe viele Bilder im Kopf, was nach dem Tod kommen wird.
Nein, auf keines davon ist Verlass.
Ja, ‚letzte Fragen‘ sind ernste Fragen.
Nein, das verbietet mir nicht den spielerischen Umgang mit ihnen.
Nein, ich bin nicht allein auf der Welt.
Ja, mein Leben und mein Tod gehen Hand in Hand. Das Leben ist nur schön, weil es
vergänglich ist.
Nein, ich habe anderen nichts zu sagen.
Ja, ich kann andere auf etwas aufmerksam machen.
Den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? Nein.
Aber der (oder die?) braucht meine Sorge nicht.
Nein, Fülle ist es nicht, was mich ausmacht.
aber Leere ist es auch nicht.
Nein, eine metaphysische Heimat habe ich nicht
aber heimatlos fühle ich mich deswegen nicht.

Erstes Fazit: Ja und Nein gehen als Freunde auseinander. Es muss im Leben mehr als Ja und Nein geben.

Zweites Fazit: „Die beiden Welten. – Diese verdirbt die jenseitige und die je nseitige das
Diesseits. Zwei sind zu viel, es hätte nur eine geben müssen.“ (G.C. Lichtenberg)


Worterklärungen

Agnostiker und Atheist

Ein Agnostiker (altgriechisch von Wissen) geht davon aus, dass sich weder die Existenz noch die Nichtexistenz eines Gottes, mehrere Götter oder spiritueller Wesen wie Geister, Dämonen und Engel beweisen lässt. Die Frage: Gibt es einen Gott? Wird er weder mit ja noch mit nein beantworten. Er weiß es nicht und hält das menschliche Wissen an diesem Punkt für begrenzt. Darin unterscheidet er sich von einem Atheisten, der die Existenz eines Gottes ebenso ablehnt wie die Überzeugung eines Gottgläubigen.

Ein Agnostiker kennt Argumente für und gegen die Existenz Gottes, wird sich aber nicht für eine Position entscheiden. Manche Agnostiker sind durchaus religiös. Sie beten oder nehmen an Gottesdiensten teil, auch wenn diese möglicherweise wirkungslos bleiben. Alles, was nicht naturwissenschaftlich belegt ist, lehnen sie ab. Himmel, Hölle.

 

Alexander Kaestner
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