„Wo bekommt man als Tod schon einmal Applaus?“

Gespräch mit "dem Tod", der mit Bühnenauftritten viele Menschen begeistert

Anonymität ist ihm wichtig. Seit einigen Jahren tritt er als „der Tod“ auf den Bühnen Deutschlands und auch im Fernsehen auf. Die Süddeutsche schrieb: „Ein Sensenmann zum Totlachen.“ Er bringt die Menschen mit skurillem, aber auch sehr menschlichem  Humor zum Lachen. Auf Facebook hält er schon mal Sprechstunden ab, Emails unterschreibt er mit „Sensige Grüße, Todi“. Wir haben mit ihm gesprochen.


Lieber Tod,
wir erleben Dich seit einigen Jahren immer mal wieder auf einer Bühne. Das finden wir überraschend. Hast Du nichts Besseres zu tun?
Was anderes gewiss, aber was Besseres? Nein, bestimmt nicht. Wo bekommt man als Tod schon einmal Applaus, wo freuen sich die Menschen über sein Kommen, wo stehen sie bei ihm sonst hinterher für Autogramme oder Fotos an? Das Thema Marketing und Öffentlichkeitsarbeit wurde im Hause Tod viele Millionen Jahre stark vernachlässigt, es war an der Zeit etwas zu ändern.

der-tod-01Wie war es beim ersten Mal, auf der Bühne zu stehen?
Ungewohnt. Normalerweise wird nicht gekichert, wenn ich eintrete. Oft werde ich verdrängt, nun zahlen Lebendige Eintritt, um mich zu sehen. Verrückt. Ich bekomme Mails und Fanpost, das muss man erstmal verarbeiten. Komplimente waren vorher recht selten. Aufgeregt war ich dagegen nicht. Ich arbeite ja viel mit Menschen, bin es gewohnt vor und mit ihnen zu sprechen. Außerdem ist man unter einer dunklen Kutte schon von Natur aus relativ entspannt. Aber das hat man als Tod wohl eh bereits in sich.

Was glaubst Du, warum Menschen Dich auf der Bühne sehen und Dir zuhören wollen?
Oh, da gibt es wohl viele unterschiedliche Gründe. Neugier, Anti-Angst-Training, Lust auf einen unterhaltsamen Abend, Interesse, Verarbeitung. Ich habe ja auch ein sehr breites Publikum. Von Kindern bis zu den 90jährigen Großeltern ist oft alles im Saal versammelt. Denn was sie alle eint, ist, dass sie sich dem Tod nicht entziehen können. Es ist keine Wahl, die man hat, jeder muss. Deshalb ist es natürlich auch eine vernünftige Vorsorge sich mal anzuschauen wo die Reise hingeht und wer überhaupt die Reiseleitung übernimmt.

der-tod-02Viele Menschen haben große Angst vor Dir – ist das gerechtfertigt?
Furcht entsteht eigentlich immer nur aus Unwissenheit, es ist die Angst vor dem Unbekannten, dem Unerklärlichen. Da reimt man sich viel Mist zusammen, der viel schlimmer ist als die Realität. Das kennt man ja auch gut aus anderen Bereichen, zum Beispiel bei der Furcht vor der Islamisierung des Abendlandes. Die ist oft dort am Größten, wo es am wenigsten Kontakt zum Islam gibt.

Wer mich in einem meiner Programme besuchen kommt, wird feststellen, ich bin auch nur ein Tod. Ich habe ein Leben, so paradox das klingt, und da geht auch jede Menge schief oder es läuft anders als geplant. Ein Tabu wird immer angstbesetzt bleiben, wer sich hingegen für Neues öffnet und bereit ist sich mit seiner Angst auseinanderzusetzten, der wird feststellen, dass sie schwindet. Das ist bei mir nicht anders als bei anderen gesellschaftlichen Themen.

Du gehörst zum Leben jedes Menschen, aber die meisten wollen Dich nicht erleben. Warum bist Du so unbeliebt?
Wenn etwas aufhört oder zu Ende geht, dann ist der Mensch prinzipiell erstmal sauer oder traurig. Ob es ein gutes Buch ist, der Urlaub oder eine Beziehung. Noch schlimmer ist, wenn man auch noch im Unklaren gelassen wird, ob es danach überhaupt irgendwie weitergeht. Das verstehe ich. Und dann personifiziert sich das alles auch noch in mir. Kein Wunder habe ich da ein Image-Problem.

Du trittst seit vielen hundert Jahren in einer immer gleichen schwarzen, mönchsartigen Kutte auf. Ist es nicht an der Zeit, das Outfit mal zu modernisieren?
Ja, ich habe auch schon überlegt, ob es vielleicht an meiner düsteren Kluft liegt, dass mir die meisten gegenüber so negativ eingestellt sind. Aber es ist inzwischen so eine Art Corporate Identity geworden. Schwarze Kutte, Sense in der Hand, da weiß man heutzutage gleich was Sache ist. Würde ich jetzt im Bärchen-Kostüm als Batman verkleidet auftauchen, wäre das wahrscheinlich eher verwirrend und auch nicht gerade zielführend. Ich mache nicht alles für ein paar Lacher.

Bist Du eigentlich ein Mann, eine Frau oder eine Transperson?
Ah, die Geschlechterfrage. Im Deutschen heißt es ja DER Tod. Im Französischen sagt man dagegen la mort, DIE Tod. Im Spanischen ebenso. Im Englischen bin ich geschlechtsneutral, verwirrend wenn ich mich an den Sprachen orientieren müsste. Da ich mich als Dienstleister begreife, bin ich das, was die Menschen in mir sehen wollen. Das finde ich fair, jeder hat das Recht auf den Tod, den er gerne möchte.

Bei Deinen Auftritten wird viel gelacht. Warum lachen die Menschen – und worüber?
Zum einen befreit lachen immer. Wenn man sich wie ich auf einer Image-Kampagne befindet, ist Humor unersetzlich. Natürlich ist es in Bezug auf mich ein Tanz auf der Sensenklinge um dennoch niemanden zu verletzen. Denn dann funktioniert es nicht. Da muss ich sehr sensibel sein; aber dieses Gefühl traue ich mir zu. Die Zuschauer lachen über mich, den Tod, nicht über Verstorbene oder tragische Schicksale, sondern über meine Geschichten, meinen Alltag. Das ist wichtig, denn wenn das Publikum dies begreift, dann kann es auch laut losbrüllen und sich die Bäuche vor Lachen halten, weil es mir vertraut, dass ich gewisse Grenzen nicht überschreite.

Wir haben auf Elysium.digital einen Bereich, in dem es um Sterben und Humor geht. Vielen Menschen erscheint dies zunächst unvereinbar. Dabei ergeben sich auch in der letzten Phase viele Situationen, die zum Lachen oder zumindest zum Lächeln sind. Hast Du selbst Menschen erlebt, die vor Deinem allerletzten Besuch lachen konnten?
Einige. Und das Bedürfnis danach ist groß. Das merke ich nicht nur bei den Menschen, die ich abholen muss oder die in meine Shows kommen, sondern auch bei denen, die sich tagtäglich mit dem Tod beschäftigen. Ich bekomme Zuschriften von Friedhofsmitarbeitern, Bestattern, sogar Pfarrern. Und manchmal treffe ich mich mit Ihnen und wir spazieren über Friedhöfe und zeigen uns, wieviel Witz an solchen Orten verborgen liegt; sei es das Einbahnstraßenschild zum Waldfriedhof, der Hinweis am Grabstein, dass die Ruhezeit nun abgelaufen ist und man bitte schnell bei der Friedhofsverwaltung vorsprechen soll oder einfach nur die Werbung an der Haltestelle für die LBS mit dem Slogan „Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause.“ Und die Orte sind voll davon. Ich zeige bei jeder Show zehn Minuten neues Fotomaterial, das verdeutlicht, die Gelegenheiten zum Schmunzeln sind da, wir übersehen sie nur häufig – ob bewusst oder unbewusst.

Und gleich anschließend die Frage: Bist Du mit Deinem Programm schon mal in einem Hospiz aufgetreten?
Ja, öfter bereits. Das wirkt im ersten Moment vielleicht etwas makaber. Auch ich hatte das erste Mal Zweifel vor Sterbenskranken aufzutreten. Aber ich habe schnell gemerkt, gerade diese Zuschauer feiern meine Auftritte meist von der ersten Sekunde an, weil sie sagen, dass sie in so einer Traurigkeit gefangen sind. Alle erzählen ihnen nur noch, wie schrecklich das alles ist. Die Verwandten weinen vor ihnen, dabei würden sie die letzten Tage gerne fröhlich oder gar lustig verbringen. Ganz ehrlich, wer würde das nicht wollen? Skurril aber, dass erst der Tod vorbeikommen muss, um mit diesen Menschen Stimmung zu machen.

der-tod-03Gab es bei Deinen Bühnenauftritten Situationen, in denen Menschen im Publikum übertrieben – beispielsweise ernsthaft nach ihrem eigenen künftigen Schicksal frugen?
Naja, was heißt übertreiben? Neugier ist eine durchaus menschliche Eigenschaft, von daher finde ich die Frage nach dem eigenen Ende nicht völlig weit hergeholt. Ich mache auch öfter mal eine Fragerunde im Theater. Das mache ich sogar ab und zu bei Facebook, wenn ich irgendwo mit der Bahn festhänge und eine Stunde Zeit habe. Ich will ja schließlich den Menschen näher kommen. Die Antwort nach dem eigenen Ende lasse ich aber in der Regel offen, denn ich möchte weder die Überraschung verderben, noch Panik schüren.

Wie hast Du den Menschen, der Dich auf der Bühne offenbar verkörpert, dazu überreden können, Dich zu repräsentieren?
Unter Schauspielern und Regisseuren galt lange die Regel, Gesicht und Mimik seien das Wichtigste auf der Bühne. Wie hätte ich da jemals jemanden überzeugen können zwei Stunden lang auf alle diese Sicherheiten verzichten zu müssen? Pures Schwarz unter der Kutte, nichts ist sicher beim Tod, außer er selbst. Ich verstehe, dass die menschliche Neugier auch dort anschlägt, weil sie irgendwas unter der Kapuze entdecken will, allerdings gehört zum Tod auch ein bisschen Mysterium dazu. Bei aller Offenheit.

Morgan Freeman hat einmal in einem durchaus lustigen Film den Allmächtigen dargestellt. Dabei war immer klar, wer Rolle und wer Darsteller ist. Der Mensch, der auf der Bühne für Dich spricht, gibt seine Identität als Mensch hingegen nicht preis – warum nicht?

Der Tod ist ein Gegenentwurf zum Leben. Und wenn in der heutigen Zeit jeder nur noch glaubt, künstlerisch erfolgreich sein zu können, indem er sein Gesicht in jede Kamera hält, seinen Namen überall platziert und möglichst viel von seinem Privatleben in der Öffentlichkeit preis gibt, dann ist es doch beruhigend, dass zumindest der Tod zeigt, dass es durchaus auch anders geht. Das ist mir ein Anliegen, weil es den Eindruck macht, dass das viele Künstler vergessen haben.

Wir danken dem Tod für dieses Gespräch.


Der Tod ist zu finden auf:

www.endlich-tod.de

https://www.youtube.com/watch?v=N5ofCqiudXQ


Nachtrag 26.11.2016:

Gestern hat unser Autor Michael den Tod und seine Assistentin Exitussi nach einem Auftritt getroffen. Wie man sieht herrschte keine Grabesstimmung…

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Michael Ziegert
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Eine Antwort

  1. Klaus Panzer sagt:

    Es sind gute Gedanken, die Herr Ziegert „dem Tod“ entlockt hat. Aber bei lustigen Auftritten sind die Geschmäcker verschieden. So darf ich ehrlich sagen, dass mir besser gefällt, wie die EAV den Tod präsentiert hat: http://letztabent.blogspot.de/2015/05/gru-gott-i-bin-der-tod.html

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