Abschied

Womit Angehörige konfrontiert werden, wenn ein Mensch stirbt

enileni-pixabay-spring-876550_1920In diesem kleinen Text haben wir Stichpunkte zusammen getragen, in denen deutlich wird, was wir als Angehörige erleben können, wenn wir einen Menschen am Lebensende pflegen und begleiten. Kleine Tipps im Umgang mit kritischen Situationen sind mit enthalten. Das Ganze ist nicht vollständig aber hoffentlich hilfreich. Mehr über einzelne Themen finden Sie im Menue.

Wir tragen den Entwurf, das Bild des Menschen in uns, den wir kennen, verbinden damit eine Persönlichkeit ebenso wie die gewohnten gemeinsamen Erfahrungsbereiche. Beim Abschied am Lebensende löst sich manchmal die Person vor uns gänzlich auf. Wir erkennen sie nicht mehr.

Hiermit werden Angehörige konfrontiert:

Geringe Mobilität

Der Aktionsradius des Kranken engt sich ein. Das gewohnte, gemeinsame Leben (Alltag, Arbeitsteilung, Unternehmungen) reduziert sich mehr und mehr. Das gemeinsame soziale und kulturelle Leben kommt nahezu zum Erliegen. Angehörige und der Kranke fallen aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen, dem Freundeskreis heraus. Manchmal kommt der soziale Tod vor dem körperlichen. Es ist wichtig, Freunde einzuladen, Kontakte zu pflegen, zu der Situation zu stehen, die gerade eingetreten ist, das Leben wertzuschätzen. Jeder Kranke ist genauso wertvoll wie der gesunde Mensch; er hat  mit Einschränkunge zu leben und wir dürfen ihm helfen, für ihn da sein, Sinvolles tun.

Hoffnung und Furcht

Angehörige gehen mit durch die Krisen des Kranken, das Schwanken zwischen Hoffnung und Furcht, und erleben, trotz vermehrter Therapie des Kranken: Alles wird schlechter, nicht besser. Die Krankheit bestimmt das gemeinsame Leben. Das kann neben der Überforderung in der Pflege zu tiefer Resignation und depressiven Verstimmungen, psychosomatischen Symptomen führen. Geh nie mit den Extremen: Euphorie, wenn es ein guter Tag ist, Verzweiflung, wenn wieder der Notarzt kommen muss. Es gibt eine Mitte dazwischen, finde deinen Weg dorthin. Der Atem kann ein Medium sein, dein Lieblingslied… Immer wieder muss ich Erwartungshaltungen aufgeben, die Hoffnungen auf eine gemeinsame Zukunft. Es hilft, im Moment zu leben, das Positive zu sehen und zuzulassen, das miteinander möglich ist. Es lösen sich unsere Lebenskonzepte/Zukunftspläne auf und dies macht Angst. Liebevoll mit sich selber sein, die Angst spüren, sanft umarmen,  die Aufmerksamkeit in die Gegenwart holen, das kann hilfreich sein. Was kommt, das kommt. Widerstand ist sinnlos. Akzeptanz von dem, was ist, ist heilsam für alle.

Es wird nicht besser?

Die Erfahrung des speziellen Leidens an einer Krankheit und der damit verbundenen Therapieformen (Krebs/ Metastasen, vielleicht offene Geschwüre) bringen Angehörige an ihre Grenzen. Sie erleben wie ihr liebster Mensch eine gesundheitliche Krise nach der anderen durchstehen muss und immer schwächer wird, weil keine Besserung eintritt. Bleib in der Herzensverbindung. Genießt die schönen Momente. Traurigkeit ist auch da, doch nicht immer, auch sie ist vergänglich.

Ekelschwellen

Der Kontrollverlust über Körperfunktionen beim Kranken kann zur Berührung mit Ekelschwellen beim Angehörigen führen. Dies gilt besonders für offene Geschwüre, aber auch für den Kontakt mit Ausscheidungen, üblen Gerüchen. Es gilt die Faustregel: Der Mensch vor mir ist nicht identisch mit seinen Ausscheidungen, dem offenen Geschwür. Sein Körper ist erkrankt. Seine Seele ist heil. Blickkontakt zeigt dir, den ganzen Menschen. Schau ihm tief in die Augen und lass die Berührung zu. Duftöle oder Pfefferminzöl unter der Nase, ein paar Tropfen helfen gegen unangenehme Gerüche, Duftlampen und regelmäßiges Lüften, häufiger Wäschewechsel lindern die Not. Verheimliche nicht deinen Ekel, geh offen damit um, vielleicht geht es sogar mit Humor?

Nichterkennen

Die mögliche Verwirrung beim Kranken am Lebensende, sein Realitätsverlust, die damit verbundene Veränderung der Persönlichkeit und der körperliche Verfall irritiert die Angehörigen. Das kann dazu führen, dass du deinen geliebten Menschen nicht mehr wieder erkennst. Du fühlst dich hilflos und schuldig, weißt nicht wie du mit dem Kranken umgehen sollst. Der Mensch ist mehr als sein Körper. Sein Wesen ist noch in ihm. Vertraue darauf. Das Äußere ist nur die Hülle.

Koma

Wenn ein Mensch ins Koma fällt, wird die Unsicherheit der Angehörigen noch gesteigert. Man weiß nicht, ob man noch Kontakt aufnehmen kann und wie das geht. Manche denken, der Kranke bekommt nichts mehr mit. Ich brauche mich nicht mehr so zu kümmern. Das Gegenteil kann der Fall sein. Versuche es mit deiner Intuition, werde langsamer und fühle in den Kranken hinein. Dann nimm Kontakt auf, still oder leise, mit oder ohne Berührung, folge einfach deinem Gefühl und lass dir Zeit. Es kann eine schöne Begegnung werden.

Abschiednehmen heißt: die Wahrheit der Vergänglichkeit annehmen lernen

Mein geliebter Mensch löst sich auf, wird sterben und ich muss mich dem stellen, hinschauen. Im Abschied wird die verbleibende Zeit so wertvoll, weil sie begrenzt ist. Jetzt aus dem Herzen heraus miteinander sein, ist in allem Leid beglückend. Hilfreich ist es, Vergänglichkeit, Tod und Sterben als Teil des Lebens zu sehen. Sich klar zu machen, auch ich werde sterben. Das erhöht die Freude am Leben und an den kleinen Dingen.

Ich bin herausgefordert, mit den körperlichen und geistigen Veränderungen, die geschehen, umzugehen, meinen Weg zu finden, wenn ich einen Menschen pflege. Schau ihm in die Augen und sieh den ganzen Menschen, das hilft. Es ist wichtig, den eigenen Ängsten und Gefühlen Raum zu geben, mit Freunden darüber zu reden, zu weinen, zu klagen, Wut und Ärger auszudrücken, so dass es keinem schadet. Das Zulassen von Gefühlen der Hilflosigkeit und Verzweiflung ist entlastend. Nach dem Tief kommt auch wieder ein Hoch, denn auch die negativen Gefühle sind vergänglich.

Alles, was in die innere Balance führt: Joggen, Yoga, eine CD hören, ins Kino gehen, Cappuccino trinken, alle äußeren kleinen und großen Quellen von Freude und Genuss schaffen ein Gegengewicht zum Leiden. Wende sie an. Immer wieder die Sinnfragen stellen und sich spirituellen Beistand holen, kann entlasten. Wer eine Kraftquelle hat, kann sich innerlich mit ihr verbinden. Gebete, Gottvertrauen, Meditation, Innehalten, im Leben Raum schaffen für das, was uns erfreut. Vielleicht kannst du die kleinen Dinge genießen und wertschätzen. Dankbarkeit ist ein guter Weg. Zu üben, wenn Regeln, Gewohnheiten des Miteinanderlebens außer Kraft gesetzt werden, mit dem zu leben, was kommt und was noch geht und sich zu erfreuen an den glücklichen Momenten, an der Nähe, der Intimität, das erleichtert den Alltag.

Wenn wir Schwellen überschreiten (Ängste Ekel, Hilflosigkeit, persönliche Grenzen) müssen wir achtsam mit uns sein und dürfen nicht zu weit gehen. Das schwächt. Manchmal ist es besser, sich Hilfe zu holen, Unerträgliches abzugeben, sich einzugestehen: Ich schaffe es nicht allein. Das gibt Kraft. Es ist wichtig, sich Hilfe zu holen und zu lernen, Hilfe an zu nehmen sowohl von Profis /Pflegekräften, Ärzten, Beratungsstellen als auch von der Familie und Freunden.

Manchmal kommen noch finanzielle Engpässe zur Pflegesituation dazu (das Pflegegeld reicht nicht, Verdienstausfall), der soziale Abstieg droht oder kommt schleichend, die Raten können nicht mehr bezahlt werden, ein Umzug steht an. Immer ist es wichtig, das nicht alleine auf den Schultern zu tragen. Es kommt vielleicht zu Kontaktverlusten. Es mangelt an Zeit für die Pflege von Freundschaften; ehemalige Freunde, Angehörigen distanzieren sich, haben Berührungsängste. Das tut weh. Aber es kommen neue Menschen und gute Freunde bleiben.

Manche geben den geliebten Beruf auf, um ihren Angehörigen pflegen zu können. Das sind meist Herzensentscheidungen. Miteinander verbunden sein, füreinander da sein ist oft schwer, doch es macht uns zufrieden, wenn wir aus Mitgefühl und Liebe handeln. Das dient beiden: dem Kranken und der Begleitenden. Die Zeit läuft aus, jeder Moment ist wertvoll, alles Gute, was wir miteinander erleben, ist Balsam für die Seele, lebt weiter in der Erinnerung.  Bequemlichkeiten müssen aufgegeben werden ebenso wie Gewohnheiten, die sich eingeschliffen haben. Denke dran, der Zeitraum, in dem du sich einschränkst, ist begrenzt. Oft entdecken wir dann neue Fähigkeiten. Alles hat auch immer eine gute Seite.

Manchmal überschreiten wir persönliche Belastungsgrenzen, was eine Zeit lang geht und vielleicht auch sein muss. Generell gilt: achtsam mit sich selber sein, merken, wann es definitiv zu viel ist, bevor ein Zusammenbruch droht. Du könntest Aufgaben delegieren, abgeben, vielleicht einmal eine Kurzzeitpflege arrangieren, einen Pflegestützpunkt aufsuchen, dich über Hilfen beraten lassen, dich ins palliative Netzwerk integrieren. Es ist wichtig, nicht in den Burnout zu kommen, dann kannst du nicht da sein für deinen Menschen. Gute Fürsorge für dich selbst ist unabdingbar, vor allem in Krisensituationen. Das ist ein oft nicht einfacher Lernprozess. Wenn es dir gelingt, um Hilfe zu bitten und sie anzunehmen, hast du einen großen Schritt getan.

Lisa Freund
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